Interview mit Jutta Weber-Bock
_Buchwurm.info:_
Was machst du gerade? Bist du zu Hause? Fühlst du dich wohl in deinem Wohnort – wo ist das überhaupt?
_Weber-Bock:_
Gerade komme ich zurück von der Stuttgarter Karlhöhe. Der Blick hinunter auf die Stadt bringt mir im Sommernieselregen einen Hauch Norwegen, in der Sommerhitze hingegen erinnern mich Stuttgarts Hügel an San Francisco. Als Schriftstellerin fühle ich mich sehr wohl in Stuttgart. Ich wohne in der Nähe des Stuttgarter Schriftstellerhauses und genieße es, schnell in der Stadt zu sein und im Heusteigviertel, in dem ich wohne, eine Atmosphäre vorzufinden, die mich jeden Tag aufs Neue inspiriert.
_Buchwurm.info:_
Du hast am 24. Mai in Stuttgart aus deinem Roman „Liebesprobe“ vorgelesen. Wie war die Veranstaltung für dich persönlich? Und warum machst du überhaupt Lesungen?
_Weber-Bock:_
Die Lesung zusammen mit Jana Jürß in der Gedok Stuttgart hat sehr viel Spaß gemacht, weil es so möglich war, das Thema „Liebe und andere Radikalitäten“ aus zwei ganz verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Und die Einbindung der Lesung in die Veranstaltungsreihe der Autorinnenvereinigung zum Thema „Das Land der Dichterinnen und Denkerinnen – Poesie und Radikalität“ hat mir bei der Auswahl der Textpassagen einen neuen Blick auf meinen eigenen Roman eröffnet.
Bei Lesungen gefällt mir der unmittelbare Kontakt zu meinen Lesern, dieses Herüberschwingen der Worte ins Publikum hinein. Und das möchte ich mit meinen Lesungen: die Leserinnen und Leser persönlich erreichen.
_Buchwurm.info:_
Worum geht es denn in diesem Roman überhaupt?
_Weber-Bock:_
Mein Roman „Liebesprobe“ erzählt vor dem Hintergrund eines Mountainbike-Urlaubs auf Gran Canaria von einer heimlichen Liebe, von einer Frau, die als Geliebte eines verheirateten Mannes lebt. Ich verknüpfe dabei den Mythos der Insel, also diese romantische Sehnsucht nach den Elysischen Gefilden, mit dem Ideal einer Verschmelzung von Ich und Du, das sich in der Landschaft Gran Canarias widerspiegelt. Die Frau macht sich Hoffnungen auf Erfüllung ihrer Liebe, und ihr Geliebter hat Angst vor einer Entdeckung ihres Verhältnisses.
In diesem Spannungsfeld bewegen sich die beiden radelnd über die Insel. Er will sich mit ihr nicht öffentlich zeigen und möchte, dass sie sich unter falschem Namen vorstellt. Sie fordert ihn zu einer Entscheidung auf und setzt ihm eine Frist. Er geht darauf ein, sie schöpft Hoffnung, dass nun alles gut wird, stellt ihn aber auf die Probe und entdeckt dann, dass die Dinge noch sehr viel schlimmer sind, als sie es sich hat vorstellen können.
_Buchwurm.info:_
Ich kenne dich ja auch als Lyrikerin. Ziehst du jetzt, nach Jahren der Lyrik, die erzählende Prosa dem Gedichteschreiben vor? Worin liegt der Unterschied für dich? Möchtest du unterschiedliche Ziele erreichen?
_Weber-Bock:_
Begonnen habe ich mein Schreiben tatsächlich mit Gedichten, aber schnell festgestellt, dass ich die Prosa brauche, um auch Geschichten erzählen zu können. So ist es phasenweise verschieden, ob ich mich mehr auf das Erzählen oder das Dichten konzentriere. Außerdem kommt es natürlich auf den Stoff, auf das Thema an, das ich bearbeiten möchte. Und da kann ich sehr schnell erkennen, welche Gattung ich brauche. Die Ziele sind bei Prosa und Lyrik die gleichen, nur die Mittel verschieden.
_Buchwurm.info:_
Was sind deine Themen, mit denen du dich in Lyrik und Prosa befasst? Spielt auch dein Wohnort Stuttgart eine Rolle?
_Weber-Bock:_
Im übergeordneten Sinne sind immer Menschen mein Thema und die Kommunikation zwischen ihnen. Oft helfen mir auch Themen wie zum Beispiel das Reisen, das Joggen oder das Wandern, um klarer formulieren zu können, was ich sagen möchte. Allerdings sind diese Sub-Themen mehr als bloße Kulisse – so ist die Insel Gran Canaria zwar ein Ort, an dem sich die Personen meines Romans befinden. Der Mythos der Insel aber wird erst virulent durch die Landschaft und die besondere Atmosphäre in den Bergen und löst seinerseits bei den Personen bestimmte Gefühle aus. Ähnlich geht es mir mit Stuttgart. Zurzeit arbeite ich an einem Roman, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Stuttgart spielt. Und wenn ich heute durch die Stadt laufe, versuche ich dieser historischen Atmosphäre nachzuspüren und meinen Figuren dann diese Gefühle mitzugeben.
_Buchwurm.info:_
Deiner Webseite entnehme ich, dass du auch eine pädagogische Ader hast. Ich habe selbst an den von dir organisierten Schreibseminaren und Literaturwerkstätten teilgenommen. Siehst du in diesem Zweig deiner Tätigkeiten einen wichtigen Teil deiner Persönlichkeit verwirklicht, oder warum machst du das?
_Weber-Bock:_
Von meiner Ausbildung her bin ich Lehrerin. Es gab zu einem gewissen Zeitpunkt, 1989 war das, den Wunsch, zu schreiben und gleichzeitig meinem Beruf auch wieder näher zu kommen. Ich merke immer wieder, dass ich meine Teilnehmerinnen und Teilnehmer „beflügeln“ kann. Umgekehrt erhalte ich von ihnen aber auch viele Inspirationen zum eigenen Schreiben. Insofern folge ich einer doppelten Berufung und erfahre, das dies gut bei Lesern und Seminarteilnehmern ankommt.
_Buchwurm.info:_
Wer interessiert sich für deine Seminartätigkeit? Hoffentlich viele werdende Schriftsteller – aber vielleicht auch Kulturämter?!
_Weber-Bock:_
Vor allem haben natürlich Schreibende, die sich fortbilden und professionalisieren wollen, Interesse an meinen Seminaren. Dazu biete ich inzwischen einige Themen als „inhouse-Seminare“ für kleine Gruppen an, in denen dann sehr intensiv gearbeitet wird und ein Projekt bis zur Veröffentlichungsreife gebracht werden kann. Es interessieren sich natürlich auch Kulturveranstalter für meine Angebote, wie etwa Volkshochschulen oder Fortbildungsakademien. Doch in diesem Bereich würde ich meine Tätigkeiten gerne noch ausweiten. Ich verstehe mich als Schriftstellerin und Literaturvermittlerin – für den Schriftstellerverband, den Förderkreis, die Gedok, die Autorinnenvereinigung oder den Volkshochschulverband.
_Buchwurm.info:_
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
_Weber-Bock:_
Die Frankfurter Vorlesungen von Paul Nizon „Am Schreiben gehen“ haben bei mir als Initialzündung gewirkt. Seitdem gehe ich am Schreiben, wie Paul Nizon sagt. Schreiben ist „matière, die ich schreibend befestigen muss, damit etwas stehe, auf dem ich stehen kann.“ Ich bilde mich ab im Schreiben und vergegenwärtige mich darin. So bekomme ich mein Leben in den Griff, Stück für Stück. Ich schreibe, also bin ich.
_Buchwurm.info:_
Wer sind deine schriftstellerischen Vorbilder, denen du nacheiferst?
_Weber-Bock:_
In der Prosa sind es Isabel Allende und Philippe Djian, in der Lyrik Hilde Domin und Werner Dürrson. Zu nennen wären natürlich noch mehr Kolleginnen und Kollegen, aber ich denke, die vier umspannen ganz gut das Feld, auf dem ich mich bewege.
_Buchwurm.info:_
„Liebesprobe“ war meines Wissens dein Romandebüt. Würdest du es als erfolgreich bezeichnen? Wie konnte es dir überhaupt gelingen, den Roman zu veröffentlichen?
_Weber-Bock:_
Von meinen Lesern habe ich, soweit sie mir zugänglich sind, durchweg sehr positive Rückmeldungen erhalten. Es gibt zwei Buchrezensionen bei Amazon.de, außerdem hat die „Stuttgarter Zeitung“ im letzten Jahr anlässlich meiner Lesung im Stuttgarter Schriftstellerhaus im Rahmen des Literatursommers „Im Spiegel der Romantik“ über das Buch berichtet. Aber ich würde den Roman natürlich gerne noch mehr bekannt machen. Gerade bin ich dabei, die drei Haupt-Zielgruppen Frauen (in den besten Jahren), Liebhaber (nicht nur) der Kanarischen Inseln sowie Radfahrer/Mountainbiker gezielter auf das Buch aufmerksam zu machen. Wichtig war es mir bei der Auswahl des Verlags, dass das Buch langfristig am Markt verfügbar ist.
_Buchwurm.info:_
Kannst du vom Scheiben leben? Oder hast du noch andere berufliche Tätigkeiten?
_Weber-Bock:_
Zurzeit verkauft sich mein autobiographisches Buch [„Wir vom Jahrgang 1957 – Kindheit und Jugend“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3882 ganz gut, und so lebe ich quasi von meiner Kindheit. Beim Schreiben bin ich mir mit der Zeit immer mehr auf die Spur gekommen und kann heute sagen und zugeben, dass alle meine Geschichten natürlich vor meinem eigenen Lebenshintergrund spielen. Ich nenne das „autobiographische Matrix“. Darauf baue ich beim Schreiben auf. Eine Konsequenz ist mein Handbuch „Autobiographisches Schreiben“, das eine Anleitung für Schreibende und Kursleitende bietet. Vom Schreiben und Unterrichten zusammen kann ich gerade einigermaßen gut leben, aber sowieso ist beides für mich untrennbar miteinander verbunden.
_Buchwurm.info:_
Mit welchen Projekten können wir in Zukunft von dir rechnen?
_Weber-Bock:_
Derzeit arbeite ich, wie gesagt, an einem historischen Roman, der in Stuttgart spielt, und an einem Lyrikband, wobei die Gedichte thematisch in der Wüste Namib angesiedelt sind. Geplant ist außerdem zum Frühjahr 2008 ein Handbuch „Reisen und Schreiben“, mit dem ich das Thema Reisen aus meinem Roman „Liebesprobe“ wieder aufnehme.
|Das schriftliche Interview führte Michael Matzer im Juni 2007.|
_Kurzbiografie_
* geboren 1957 in Melle/Niedersachsen, lebt seit 1983 in Stuttgart
* Studium Philosophie und Deutsch an der Universität Osnabrück; abgeschlossene Lehrerausbildung
‚ Arbeit als Schreibkraft, Chefsekretärin, Direktionsassistentin und Sachbearbeiterin an einem Forschungsinstitut
* seit 2004 freie Schriftstellerin, Dozentin und Lektorin in Stuttgart; schreibt Romane, Erzählungen und Gedichte
* seit 1990 Dozentin in Schreibwerkstätten
* seit 1997 für den Volkshochschulverband in der Fortbildung von Schreibwerkstättenleiter-/innen tätig
* Stellvertretende Vorsitzende des Schriftstellerverbandes (VS) in Baden-Württemberg, Mitglied in der GEDOK Stuttgart und in der Autorinnenvereinigung e. V.
* Projektleiterin des „Basisnetzwerks: Schreibwerk- und Autorenförderung in Baden-Württemberg“ (http://www.schreibwerkstaetten.de )
* Eintrag im 65. Jahrgang von Kürschners Deutschem Literaturkalender 2006/2007
* im Juni 2006 Aufenthaltsstipendium des „Internationalen Schriftstellerzentrums Three Waves“ auf Rhodos, Griechenland
Internet: http://weber-bock.de
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